Der Einwohnerrat spricht sich gegen tiefere Steuern aus

Die SVP wollte die Steuern senken. Obwohl die Mitte zu Hilfe eilte, scheiterte das Anliegen. Vor allem, weil einige FDP-Politiker lieber einen stabilen Steuerfuss haben.

Der Binninger Gemeinderat rechnet für nächstes Jahr mit einem Defizit von einer Million Franken. «Das Budget 2024 ist tragbar mit Blick auf die freien verfügbaren Mittel von 52,2 Millionen», erklärte Christoph Daniel Maier (FDP), Präsident der Geschäfts- und Rechnungsprüfungskommission (GRPK) am Montagabend im Einwohnerrat. Langfristig sei aber keine nachhaltige Finanzpolitik möglich. «Bereits 2025 können wir die Schuldenbremse nicht mehr einhalten», warnte Maier im Namen der GRPK. Aus persönlicher Sicht plädierte er dafür, den Steuersatz nicht zu ändern. Binningen habe Chancen, langfristig den tiefen Steuersatz zu halten – im Gegensatz zu anderen Gemeinden, die noch tiefere Steuern haben. «Dank einer langfristig ausgelegten Finanzpolitik haben wir uns Vorfinanzierungen leisten können», betonte Maier.

Die SVP wollte die Steuern um zwei Prozentpunkte auf 47 Prozent senken – also auf den Steuersatz, der bis 2022 gültig war. «Kanton und Gemeinden rechnen sich notorisch arm», sagte Hubert Steffen (SVP). Im Budget 2024 sei kein Sparwillen zu erkennen; die Personalkosten würden steigen und steigen, kritisierte Steffen. Tiefere Steuern würden auch den Leuten helfen, die jetzt besonders unter dem Kaufkraftverlust leiden. Unterstützung erhielt die SVP von Thomas Hafner (Mitte/GLP). Binningen habe in der Vergangenheit sehr oft hohe Überschüsse verzeichnet, deshalb könne man die Steuern für 2024 und 2025 um einen Prozentpunkt senken. Alles andere wäre – gerade für gute Steuerzahler – «unanständig und eine Zumutung, fast schon eine Abzockerei», erklärte Hafner. Ab 2026 könnte man die Steuern wenn nötig wieder erhöhen.

«Wer profitiert von Steuersenkungen? Ich habe es ausgerechnet», erklärte Lewin Lempert (SP). Bei einem steuerbaren Einkommen von 30‘000 Franken mache ein Prozentpunkt 11.20 Franken pro Jahr aus, bei zwei Prozent wären es 22.40 Franken. Bei 50‘000 Franken wären es 31 bzw. 62 Franken, bei 300’000 Franken 500 bzw. 1000 Franken. Viel mehr einschenken würden Massnahmen gegen höhere Krankenkassenprämien oder höhere Mieten – das alles lehne die SVP kategorisch ab. «Das ist keine ehrliche Politik», unterstrich Lempert. Ihn unterstützte Urs Hauri (Grüne/EVP): «Eine Steuersenkung wäre nicht zu verantworten gegenüber künftigen Generationen». Ähnlich argumentierte Daniel Setz (FDP). In Anbetracht der hohen Investitionen, z. B. in den neuen Schulcampus, wäre eine Steuersenkung nicht vernünftig. «Nicht nachhaltige Steuergeschenke für den Wahlkampf lehnen wir ab», sagte Setz.

Auch Simone Abt (SP) sprach von «Wahlkampf» (am 3. März 2024 wird der Binninger Einwohnerrat neu gewählt). Was das für Politikerinnen und Politiker seien, welche die Steuern senken, wenn die Gemeinde vor grossen Ausgaben steht und absehbar ist, dass die Steuern ein Jahr später wieder steigen müssen, fragte Abt. Die Folge von Steuersenkungen wären Sparmassnahmen bei Dingen, die ärmeren Leuten zugutekommen.

Gemeinderätin Eva-Maria Bonetti (FDP), zuständig für Finanzen und Steuern, warnte vor einer Steuersenkung zum jetzigen Zeitpunkt. Es sei wichtig, in der aktuellen Situation der langfristigen Finanzplanung nicht kurzfristige Änderungen vorzunehmen, welche «einen Bumerang-Effekt hätten, der uns doppelt einholen und unser Ziel der Beibehaltung eines weiterhin attraktiven, stabilen moderaten Steuerfusses gefährden würde», mahnte Bonetti. Ihr Anliegen wurde erhört. Eine Steuersenkung um zwei Prozent wurde haushoch abgelehnt. Für die Senkung um ein Prozent votierten 13 Parlamentsmitglieder – weit weniger als die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Die SVP stimmte geschlossen für tiefere Steuern, ebenso die Mitte-Vertreter Thomas Hafner und Karl J. Heim sowie einige FDP-Vertreter.

Brigitte Strondl (SP) schlug mit einem Postulat vor, der Gemeinderat solle prüfen und berichten, ob und wo es in den Quartieren Räume und Orte für Begegnungen der Quartierbewohnerinnen und -bewohner gibt resp. wie diese geschaffen, betrieben und finanziert werden könnten. Kevin Lancashire (FDP) war dagegen und meinte, die Schaffung von Begegnungsorten im Quartier sei nicht Sache der Gemeinde; auch Charlotte Marti (SVP) sagte, die Quartiere sollten selber etwas auf die Beine stellen. Karin Glaser (Grüne/EVP) hingegen fand, solche Treffpunkte seien wichtig auch für Leute, die neu nach Binningen ziehen. Mitte/GLP, SP und Grüne/EVP waren dafür, FDP und SVP dagegen: So wurde das Postulat mit 17 zu 15 Stimmen an den Gemeinderat überwiesen.         Rolf Zenklusen